Tag Archives

2 Articles

Veranstaltungen

AStA der Uni Hannover organisiert Veranstaltungsreihe zur Colonia Dignidad

Posted by MD on
AStA der Uni Hannover organisiert Veranstaltungsreihe zur Colonia Dignidad

Die “Arbeitsgemeinschaft Kritische Bildung” des Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Leibniz Universität Hannover organisiert eine Veranstaltungsreihe zum Thema Colonia Dignidad im November und Dezember 2019.  Neben vier Terminen mit interdisziplinären Vorträgen zu verschiedenen Themenbereichen, wird auch eine abschließende Podiumsdiskussion ausgerichtet.

Vor allem der Spielfilm “Colonia Dignidad- Es gibt kein Zurück” von dem Regisseur Florian Gallenberger habe viele Mitglieder des AStA zu weiteren Recherchen zum Thema Colonia Dignidad angeregt, sagte Enise Üstkala (AG Kritische Bildung) über die Motivation des Studierendenausschusses, die Veranstaltungsreihe zu organisieren. Viele hatten zuvor noch nie oder nur wenig von diesem Ort in Chile und seinen Verwicklungen mit der chilenischen Militärdiktatur (1973-1990) unter Augusto Pinochet gehört.

In regelmäßigen Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft diskutierten die Mitglieder einzelne Themenkomplexe rund um die Geschichte der Colonia Dignidad, sowie die Gegenwart der Villa Baviera. Aus ihren Diskussionen entwickelten sie eine interdisziplinäre Veranstaltungsreihe, die erstmals auch die wissenschaftliche Betrachtung spezifischer Themenbereiche unternimmt:

Zur Auftaktveranstaltung am 25. November 2019 gibt der Journalist und Publizist Dieter Maier einen überblicksartigen Vortrag zu den Anfängen der Colonia in Deutschland, dem Verlauf in Chile und der Funktion der Gruppe/des Ortes innerhalb der chilenischen Militärdiktatur.

Am 27. November 2019 hält der Psychologe Henning Freund einen Vortrag über die psychologische Identitätskonstruktion nach der Sozialisation in der totalitär-religiösen Gemeinschaft Colonia Dignidad.

Am 29. November 2019 liest Autorin Heike Rittel gemeinsam mit den Zeitzeug*innen Edeltraud und Michael Müller aus ihrem Interview-Buch “Lasst uns reden: Frauenprotokolle aus der Colonia Dignidad” vor.

Am 3. Dezember 2019 spricht der Sozialpsychologe Rolf Pohl über sexuelle Gewalt als männliches Herrschaftsinstrument in der Colonia Dignidad.

Am 4. Dezember 2019 diskutieren Journalistin Ute Löhning, Aktivist Jürgen Karwelat, Geschichts- und Kulturwissenschaftlerin Meike Dreckmann, Sozialpsychologe Sebastian Winter, sowie Mitglieder der “Not- und Interessengemeinschaft der Geschädigten der Colonia Dignidad” zu aktuellen Fragen und Herausforderungen in der Aufarbeitung der Geschichte der Colonia Dignidad.

Informationen zu den verschiedenen Veranstaltungsorten und gegebenenfalls Aktualisierungen rund um die Veranstaltung finden sich hier.

 

Quelle: Veranstaltungsseite des AStA Hannover

Zeitleiste

Posted by MD on

(Diese Zeitleiste wird stetig erweitert und beinhaltet bei Weitem nicht alle zu erwähnenden Ereignisse in der Geschichte der Colonia Dignidad. Sollten Sie als Leser*in ein konkretes Ereignis dringend vermissen, schreiben Sie es gern an die Emailadresse info[@]publichistoryblog.com und dann werde ich es gegebenenfalls schneller ergänzen. 

1921 – Paul Schäfer wird in Bonn geboren.

1954 – Paul Schäfer lernt Hugo Baar kennen (Prediger der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde in Salzgitter-Bad)

1956 – Die Private Sociale Mission e.V. wird in Siegburg gegründet

1960 – Ein Jugendheim wird in Lohmar/Heide wird offiziell eingeweiht

1961 – Gegen Schäfer ermittelt die Staatsanwaltschaft Bonn strafrechtlich wegen sexuellen Kindesmissbrauchs an zwei Kindern  des Heims. Um sich diesen Ermittlungen zu entziehen, flieht er nach Chile. Dort kauft er zusammen mit Hermann Schmidt ein Stück Land im Süden Chiles. Auf diesem Grundstück gründet Schäfer nach chilenischem Privatrecht die “Sociedad Benefactora y Educacional Dignidad”. In den Jahren 1961/62/63 kamen fast 300 Menschen entweder mit Schiffen oder dem Flugzeug nach.

1966 – Wolfgang Müller (heute Kneese) flieht nach mehreren Versuchen aus der Colonia Dignidad. Seine Berichte sorgen erstmals für die mediale Berichterstattung über die Verhältnisse in der deutschen Gruppe in Chile.

1970 – In Chile wird Salvador Allende demokratisch zum ersten sozialistischen Präsidenten des Landes gewählt. Die Colonia Dignidad unterstützt währenddessen die rechtsextreme Terrororganisation “Patria y Libertad” und hält deren Anführer auf ihrem Gelände versteckt.

1973 – Militärputsch in Chile. Diktator Augusto Pinochet kommt an die Macht und lässt Oppositionelle festnehmen, foltern und ermorden.

1974 – Der chilenische Militärdiktator Augusto Pinochet besucht die Colonia Dignidad.

1975 – Erick Zott und Adriana Borquez werden in Santiago und Talca verhaftet und zur Folter in die Colonia Dignidad gebracht.

1977 – Veröffentlichung der Broschüre “Colonia Dignidad – Deutsches Mustergut in Chile – ein Folterlager der DINA” durch Amnesty International Deutschland und dem STERN. Colonia Dignidad klagt auf Unterlassung der in der Broschüre getroffenen Aussagen. Im selben Jahr berichtet ein ehemaliger Agent des chilenischen Geheimdienstes DINA, dass er in der Colonia Dignidad zum Foltern ausgebildet wurde.

1988 – Colonia Dignidad ändert ihren Namen zu Villa Baviera; “Not- und Interessengemeinschaft der Geschädigten der Colonia Dignidad” gründet sich in Bonn

1996 – Chilenische Eltern werfen Paul Schäfer sexualisierte Gewalt an ihren Kindern vor. Ein Haftbefehl wird gegen Paul Schäfer erlassen. Außerdem werden die Ermittlungen gegen weitere Mitglieder der Colonia Dignidad aufgenommen und die Liste der Verfahren weitet sich aus. Unter anderem wird gegen Schäfer und andere auch wegen Steuerhinterziehung, Urkundenfälschung und Kindesentziehung ermittelt.

1997 – Paul Schäfer flieht nach Argentinien. Es gibt zahlreiche große Durchsuchungen des Geländes durch die chilenische Polizei. Ein Haftbefehl gegen Paul Schäfer wird vom Amtsgericht Siegburg erlassen. Im November des Jahres wird außerdem die Klage der Colonia Dignidad gegen Amnesty International zurückgewiesen, weil die Klägerinnen juristische nicht mehr bestehen.

1998 – Mehrere Führungsmitglieder der Colonia Dignidad werden festgenommen und später gegen Kaution wieder freigelassen.

1999 – Erneute Verhaftungen von Führungsmitgliedern und spätere Freilassungen gegen Kaution.

2005 – Die argentinische Polizei verhaftet Paul Schäfer und fünf weitere Mitglieder der Colonia Dignidad, Schäfer wird anschließend nach Chile ausgeliefert.

2010 – Paul Schäfer stirbt im Gefängnis in Santiago.

2011 – Hartmut Hopp flieht nach Krefeld, um sich der juristischen Verfolgung in Chile zu entziehen.

2016 – Der Spielfilm “Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück” von Florian Gallenberger wird in den deutschen Kinos gezeigt. Im Juli reist Bundespräsident Joachim Gauck nach Chile und besucht die Villa Baviera. Im November reist eine Delegation deutscher Parlamentarier unter der Leitung von Renate Künast in die Villa Baviera.

2017 – Beschlussfassung im Bundestag: “Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad” (Bundestagsdrucksache 18/12943); im August beschließt das Landgericht Krefeld, dass das chilenische Urteil gegen Hartmut Hopp (5 Jahre und 1 Tag Gefängnis) in Deutschland umgesetzt werden kann; Hopp legt Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein und gewinnt 2018: Die Haftstrafe wird in Deutschland nicht umgesetzt.

Quellen (Auswahl):

  • Dieter Maier, Colonia Dignidad – Auf den Spuren eines deutschen Verbrechens in Chile, Stuttgart 2017.
  • Heike Rittel und Jürgen Karwelat, Lasst uns reden. Frauenprotokolle aus der Colonia Dignidad, Stuttgart 2018, 259-265.
  • Horst Rückert, Das Blendwerk – Vom Folterzentrum der Militärdiktatur zum Ferienort. Die Geschichte der Villa Baviera in Chile, Stuttgart 2017.